Veranstaltung: | Stadtparteitag Dresden Kommunalwahlprogramm 2019 |
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Tagesordnungspunkt: | 3.E) Dresden als weltoffene Stadt |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Stadtparteitag |
Beschlossen am: | 12.01.2019 |
Eingereicht: | 15.01.2019, 15:48 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Dresden als weltoffene Stadt
Text
E) Dresden als weltoffene Stadt
E. 1) Integration kann nur gemeinsam gelingen
Als Dresden im Jahr 2015 innerhalb weniger Wochen die Aufgabe hatte, tausende
Schutzsuchende unterzubringen, hat die rot-grün-rote Kooperation bewiesen, dass
eine klare Haltung für Humanität auch politisch konsequent umgesetzt werden
kann. Während sich die CDU in dieser Situation als nicht handlungs- und
regierungsfähig erwiesen hat, haben wir mit unserer Entscheidung für die
dezentrale Unterbringung von Geflüchteten der Stadt nicht nur 40 Mio. Euro für
überteuerte Container gespart, sondern auch die Grundlage für eine besser
Integration von Geflüchteten gelegt. Der von AfD und NPD organisierten Hetze
gegen Flüchtlingsunterkünfte haben wir dabei im Gegensatz zur CDU standgehalten.
Nachdem wir ausreichend Unterbringungskapazitäten geschaffen haben und die
Bewältigung der Akutsituation in den letzten Jahren geglückt ist, stehen wir
jetzt vor der Aufgabe, die Integration der zu uns gekommenen Menschen gelingen
zu lassen. Das verlangt weiter große Kraftanstrengungen. Die politische Planung
im Rathaus muss die Realität der Integration im Blick haben und langfristig den
Bedürfnissen von „Ur-Dresdner*innen“, „Noch-nicht-ganz-so-lange-Dresdner*innen“
und kürzlich Zugezogenen gerecht werden.
Integration umfassend denken
Integration ist eine Aufgabe, die die Ankommenden und die Aufnahmegesellschaft
fordert. Wir fordern von Migrant*innen in selbem Maße die Anerkennung unserer
demokratischen Werte wie Freiheit, Gleichberechtigung, Toleranz und
Gewaltfreiheit wie von allen anderen Bewohner*innen dieser Stadt. Nur wenn diese
demokratischen Werte durch Partizipation und Engagement von allen Seiten gelebt
werden können, werden Perspektiven geschaffen und kann Integration
funktionieren. Darüberhinaus ist die Integration in und durch Arbeit von
zentraler Bedeutung, weshalb wir spezifische Beschäftigungs- und
Qualifizierungsangebote für Geflüchtete für notwendig halten. Das ehrenamtliche
Engagement hat sich als unverzichtbarer Grundstein der Bemühungen um Integration
erwiesen. Daher werden wir GRÜNE die Ehrenamtskoordination für die
Flüchtlingshilfe im Sozialamt weiter fördern. Wir wollen aber auch Migrant*innen
für das Ehrenamt gewinnen – z. B. in Sportvereinen, bei der Begleitung von
Kindern, Familien und älteren Menschen, in Gemeinschaftsgärten, für den
Naturschutz, in der freiwilligen Feuerwehr oder in Tierheimen. Dies kann zum
Beispiel über die Förderkriterien der Stadt gelingen, indem zusätzliche Anreize
für Dresdner Sport- und Kulturvereine sowie in der Jugendarbeit gesetzt werden,
sich für Migrant*innen zu öffnen.
Dresden wird Integrationshauptstadt
Wir nehmen den Oberbürgermeister beim Wort, wenn er angekündigt, Dresden zur
Integrationshauptstadt zu machen und unterstützen die Stadtspitze bei jeglichem
Engagement gegen fremdenfeindliche Tendenzen in unserer Stadt. Wir werden aber
auch weiterhin auf Defizite in diesem Zusammenhang hinweisen. BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN setzen auf einen durch die Landeshauptstadt organisierten Dialog zum
Integrationskonzept 2020-2025, an dem alle Glaubensgemeinschaften und die
Dresdner Bürger*innen aus den verschiedenen Nationen beteiligt werden sollen.
Dresden braucht ein interkulturelles Zentrum. In der zurückliegenden Wahlperiode
ist die Schaffung eines städtisch geförderten Interkulturellen Zentrums an den
Rechtskonservativen im Stadtrat und an Teilen der SPD-Fraktion gescheitert. Wir
GRÜNE halten an diesem Ziel weiter fest und werden einen neuen Anlauf zur
Verwirklichung dieses Projekts unternehmen, wie wir auch Dresdner Initiativen
dabei unterstützen wollen, Begegnungsangebote für Migrant*innen und
Nichtmigrant*innen in den Stadtteilen auszubauen. Wir werden eine städtische
Online-Plattform zur Vermittlung von interkulturellen Tandems von Migrant*innen
und Alteingesessenen schaffen.
Wir setzen uns darüber hinaus dafür ein, dass die Landeshauptstadt
Ausstellungen, Lesungen, Konzerte und den Austausch zwischen Museen (in
Deutschland und im Ausland) für geflüchtete Künstler*innen finanziell fördert
und Räumlichkeiten bereitstellt.
Menschlichkeit verteidigen ohne wenn und aber!
Wir sprechen uns klar gegen Anker- bzw. Abschiebezentren aus und wirken darauf
hin, dass die Stadt sich gegenüber dem Bund und dem Freistaat entsprechend
positioniert. Dadurch wollen wir das Kindeswohl und die Rechte besonders
Schutzbedürftiger verteidigen. Wir GRÜNE fordern die Unterstützung von
Rechtsberatungsangeboten für die Betroffenen, einschließlich des Zutrittsrechts
der Beratenden zu den betreffenden Einrichtungen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden
uns dafür einsetzen, dass die Landeshauptstadt Dresden sich zur Aufnahme eines
Kontigents von Geflüchteten verpflichtet, die durch die Seenotrettung,
beispielsweise durch die Dresdner Initiative „Mission Lifeline“, im Mittelmeer
vor dem Ertrinken gerettet worden sind.
Wir setzen uns für die Anbahnung einer Städtepartnerschaft mit einer im Krieg
zerstörten syrischen Stadt ein.
E. 2) Nur mit Weltoffenheit wird Dresden lebenswert sein
Gegen härteste Widerstände und gegen die Verrohung der politischen
Auseinandersetzung stehen wir GRÜNE mit Haltung weiter und noch konsequenter für
ein weltoffenes und plurales Dresden. Wir wehren uns gegen die weitere Erosion
von Grenzen des Sagbaren und gegen die zunehmende Akzeptanz von antiliberalen,
menschenfeindlichen und antidemokratischen Entwicklungen in unserer
Stadtgesellschaft.
Deshalb wollen wir nicht nur die Zivilgesellschaft stärken und Rechtspopulismus
entgegentreten, sondern auch neue Wege in der Erinnerungskultur in Dresden
beschreiten.
Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus entschlossen begegnen
Dresden ist nach wie vor eine Hochburg rechter Demonstrationen sowie rassistisch
motivierter Übergriffe und Straftaten. Wir möchten rechter Stimmungsmache, die
das Diskussionsklima nachhaltig schädigt, keine zusätzliche Bühne mehr liefern.
Wir stärken das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Rechts und stehen an der
Seite jener, die für ein friedliches Zusammenleben einstehen und für eine
plurale, offene und vielfältige Stadtgesellschaft streiten. Wir machen allen
Mut, sich zu engagieren und denjenigen eine Stimme und Unterstützung zu geben,
die aufgrund ihres Engagements oder ihrer Herkunft verletzt werden oder
resignieren.
Das Lokale Handlungsprogramm „Demokratie leben“ (LHP) werden wir daher weiter
ausbauen und die Ehrenamtskoordination stärker fördern. Darüber hinaus werden
wir ein Konzept zur Bekämpfung neonazistischer und rassistischer Strukturen in
Dresden entwickeln, dessen Umsetzung mit ausreichend Personal sichergestellt
wird.
Um Alltagsrassismus und strukturellem Rassismus nachhaltig entgegenzutreten,
wollen wir die Mitgliedschaft unserer Stadt in der „Europäischen Städtekoalition
gegen Rassismus“ (ECCAR) nutzen sowie neue Angebote zur Bekämpfung von Rassismus
in allen öffentlichen Einrichtungen und in der Stadtverwaltung schaffen und die
Verwaltung entsprechend weiterbilden.
Wir werden die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle evaluieren und sie zu einer
wirklich unabhängigen Anlaufstelle weiterentwickeln, die in ihrer Arbeit einem
umfassenden Begriff von Antidiskriminierung verpflichtet ist, und an die sich
alle Menschen wenden können, die mit Diskriminierung jeglicher Art konfrontiert
sind, z. B. aufgrund von Herkunft, Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung
oder politischer, kultureller und religiöser Überzeugungen.
Gedenk- und Erinnerungskultur weiterentwickeln
Nach wie vor steht beim Gedenken an den Nationalsozialismus die tradierte
Opferrolle der Stadt im Vordergrund. Wir fordern daher die Fortsetzung eines
Gedenkdiskurses, in dem die Verantwortung Deutschlands für Angriffskriege,
Holocaust und Verfolgung angemessen zum Ausdruck gebracht wird. Wir wollen
dauerhaft im Stadtbild präsente Gedenkorte schaffen, die die aktive
Auseinandersetzung mit der Shoah ermöglichen. Das Rondell auf dem Heidefriedhof
soll als Teil der Geschichte erhalten bleiben, jedoch ebenso wie der
Gedenkobelisk in Nickern kritisch kontextualisiert werden. Das „Judenlager“ am
Hellerberg muss nach der Erschließung als Gedenkort öffentlich zugänglich
gemacht werden.
Gleichzeitig werden wir im Stadtbild die Orte, die für demokratische
Errungenschaften und Entwicklungen auch jenseits des 20. Jahrhunderts stehen, im
Stadtbild präsenter machen.
E. 3) Dresden ist Kultur(haupt)stadt
Dresden weist eine lebendige Kulturszene und eine große Dichte an
strahlkräftigen Kultureinrichtungen auf. Die GRÜNEN haben in den letzten Jahren
erfolgreich dafür gestritten, dass mit dem Aus- und Umbau des Kraftwerks Mitte
wichtige städtische Einrichtungen wie das tjg. theater junge generation und die
Staatsoperette ins Zentrum der Stadt gerückt sind. Ebenso erfolgreich waren wir
auch das Zünglein an der Waage dafür, dass der umgebaute Kulturpalast zur Heimat
von Philharmonie, Zentralbibliothek und Herkuleskeule werden konnte und darüber
hinaus einen Konzertsaal von europäischem Spitzenniveau erhielt.
Diese Dichte und Qualität kultureller Einrichtungen gilt es auch für künftige
Generationen zu sichern. Der Bewerbungsprozess als Kulturhauptstadt 2025
ermöglicht es den Dresdner*innen, wieder stärker miteinander ins Gespräch zu
kommen und das Selbstverständnis Dresdens als Kulturstadt zu verstetigen. Diesen
Prozess begrüßen und unterstützen wir unabhängig vom Ausgang des
Bewerbungsverfahrens.
Noch stärker als bisher werden wir GRÜNE dabei Dresden für innovative und
kreative Ideen öffnen, bei denen die freie Szene eine ganz wesentliche Rolle
spielt. Diese nicht institutionalisierte Kunst und Kultur gilt es daher auch zu
stärken.
Ein weiteres Erfolgsmodell war der bereits im letzten Haushalt auf GRÜNE
Initiative hin beschlossene „Feuerwehrtopf”: ein Kleinprojektefonds, der so
erfolgreich war, dass er jetzt aufgestockt werden soll.
Die Freie Szene stark machen
Die Stärkung der Freien Szene ist uns ein zentrales Anliegen und deshalb werden
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN deren Förderung insgesamt signifikant erhöhen. Sie ist
wichtiger Impulsgeber bei künstlerischen Entwicklungen, doch arbeiten deren
Akteur*innen in aller Regel unter deutlich schlechteren Bedingungen als ihre
Kolleg*innen in den Ensembles. Dies wollen wir ändern: Wir setzen uns dafür ein,
dass Honoraruntergrenzen eingehalten werden. Wir werden den künstlerischen
Nachwuchs, die Absolventinnen und Absolventen der HfBK und anderer
künstlerischer Ausbildungsstätten, besser fördern. Besonderes Augenmerk muss
hierbei die Frauenförderung erfahren. Wir werden Kulturschaffende in allen
Projektentwicklungsphasen unterstützen.
Wir wollen ein durch die Landeshauptstadt organisiertes regelmäßiges Treffen von
Akteur*innen der freien Szene und Kulturinstitutionen ins Leben rufen, um
künstlerische Ideen, Visionen, Projekte gemeinsam zu besprechen und eine
interdisziplinäre Vernetzung der Dresdner Kulturschaffenden zu ermöglichen.
Kultur braucht Raum
Die aktuelle Entwicklung auf dem Immobilienmarkt verstärkt den Mangel an
erschwinglichen Proben- und Atelierräumen. Deshalb unterstützen wir Initiativen
wie den konglomerat e. V und setzen uns dafür ein, dass die Stadtverwaltung
aktiv nach entsprechenden Freiflächen und Freiräumen sucht, die für
Künstler*innen und Kreative als Arbeitsräume geeignet sind. Wir wollen die
Anmietung von Atelier- und Probenräumen finanziell unterstützen.
Kultur vor der eigenen Haustür erlebbar machen
Wir GRÜNE werden soziokulturelle Zentren mit niederschwelligen kulturellen
Angebote in allen Stadtteilen ermöglichen, damit Kultur nicht nur im
Stadtzentrum, sondern auch vor der eigenen Haustür stattfinden kann. Diese
Stadtteil- und Nachbarschaftszentren können als Freiräume für die individuelle
Nutzung der Einwohner*innen etabliert werden und als Begegnungsorte für die
Bürger*innen dienen.
Kunst besser präsentieren
Wir setzen uns für Ausstellungs-, Präsentations- und Aufführungsmöglichkeiten
für Dresdner Künstler*innen ein. Hierfür wünschen wir uns eine stärkere
Einbeziehung durch die städtischen Einrichtungen in deren
Ausstellungen/Produktionen/Festivals. Alle großen, städtischen Dresdner
Kultureinrichtungen sollen zur Kooperation mit Protagonist*innen der Dresdner
Freien oder Laien-Kunstszene verpflichtet werden. Eine Kunstmesse, die Dresdner
Bildende Künstler*innen präsentiert, erachten wir als unerlässlich. Wir wollen
die Ostrale als überregional bedeutsame Präsentation zeitgenössischer Kunst
unbedingtin Dresden halten und sie angemessen unterstützen. Dies umfasst auch
die Bereitstellung geeigneter Räumlichkeiten.
Künstler*innen passgenau fördern
Wir setzen uns für eine spartendifferenzierte Projektförderung ein, die den
spezifischen Anforderungen – etwa größerer Theaterproduktionen – gerecht wird.
Auch muss in den Förderungen zwischen Laien und professionellen Künstler*innen
unterschieden werden. Kulturschaffende sollen bei der Akquise von Finanzmitteln
jenseits der institutionellen Förderung unterstützt werden. Mittel hierzu können
die Einrichtung eines Matching-Funds und die Schaffung einer Stelle im Kulturamt
für Drittmittelberatung sein.
Dresdner Clubszene stärken ‒ Sperrstunde abschaffen
Freiräume werden weniger, auch in der Dresdner Clubszene. Wir GRÜNE möchten
diese als essenziellen Teil des kulturellen Lebens in Dresden erhalten. Zu einem
bunten Dresden gehört die Subkultur ebenso wie die Alten Meister. Um einer
weiteren Verdrängung der Szene und dem voranschreitenden Clubsterben
entgegenzuwirken, muss die Clubkultur bei der Aufstellung von Bebauungsplänen
berücksichtigt werden, Bei Interessenkonflikten zwischen Kneipen-, Bar- und
Clubszene und Anwohnern soll ein*e „Nachtbürgermeister*in“ zukünftig zwischen
den verschiedenen Interessen vermitteln.
Für uns GRÜNE ist es ein zentrales Anliegen die „Sperrstunde“ als Relikt
vergangener Zeiten abzuschaffen.
Freiluftpartys ermöglichen
Wir GRÜNE möchten auch dem Bedürfnis vieler Menschen nach mehr Freiheiten im
öffentlichen Raum entgegen kommen. Freiluftpartys gehören in Dresden inzwischen
fest zur subkulturellen Szene. Dieser Entwicklung möchten wir Rechnung tragen.
Aufgrund des bisherigen generellen Verbotes finden diese Veranstaltungen oft an
Orten statt, die aus Umwelt- und Naturschutzgründen sowie gerade im Hochsommer
aus Brandschutzaspekten dafür nicht geeignet sind. Wir möchten Freiluftpartys
auf ausgewählten städtischen Flächen mit einem einfachen Anmeldeverfahren
ermöglichen.
Kulturelle Bildung für alle und von Anfang an
Kulturelle Bildung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Daher muss sie
allen Menschen ermöglicht werden, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrer
Lebenssituation. Die Ausübung von Kunst sowie die Auseinandersetzung mit Kultur
schulen und schärfen emotionale und soziale Schlüsselkompetenzen. Deshalb werden
wir das Konzept für die kulturelle Bildung in Dresden dahingehend
weiterentwickeln, dass jedes Kind nach der Grundschule jede städtische
Kultureinrichtung mindestens einmal besucht haben kann. Darüber hinaus werden
wir die Zusammenarbeit bei der kulturellen Bildung auf Ebene der Stadtteile
verbessern und dafür Sorge tragen, dass es ausreichend viele Angebote der
kulturellen Bildung auch im unmittelbaren Lebensumfeld gibt. Da kulturelle
Bildung durch viele Ämter und Institutionen in Dresden vermittelt und gesteuert
wird, werden wir einen integrierten Ansatz in der Stadtverwaltung stärken, der
eine ressortübergreifende Koordination der kulturellen Bildung in Dresden zum
Ziel hat.